Oct 1, 2025
-
Written by
Aline Puhan-Schulz

Zwischen Filmkunst und Vertrieb liegt weniger Abstand, als es scheint. Beide beruhen auf Storytelling, Vertrauen und Präsenz. Die Frage ist nicht, ob KI uns ersetzt, sondern wie wir sie so nutzen, dass unsere Stimme stärker wird.
Wir waren in der vergangenen Woche auf der Media TechHub Conference in Potsdam zu Gast, nicht nur, um zu beobachten, wie KI Inhalte produziert, sondern auch, um zu verstehen, was gutes Storytelling für eine zunehmend KI-getriebene Vertriebswelt bedeutet. Die Konferenz widmet sich der Schnittstelle von Kreativität und Technologie und beleuchtet, wie Medientechnologien wie Streaming, Virtual Production, KI sowie Bild- und Tonverarbeitung die Produktion, Distribution und Wahrnehmung von Inhalten verändern. Ein besonderer Fokus lag in diesem Jahr auf dem Einsatz von generativer KI (GenAI) in der Film-, TV- und Streamingbranche.
Die Regisseurin, Schauspielerin und Drehbuchautorin Maria Schrader eröffnete die Konferenz mit einer Keynote und stellte eine Metapher vor, die uns während der gesamten Konferenz begleitete: “Is AI still the pencil in the filmmaker’s hand, or did we create a hand that can wield the pencil itself?“ Technik war im Kino stets ein Stift, ein Werkzeug, geführt von einer menschlichen Hand. Doch mit der Künstlichen Intelligenz scheint sich der Stift verselbständigt zu haben. Stimmen können geklont, Emotionen künstlich generiert, ganze Filme auf Knopfdruck entworfen werden. Noch ist unklar, wie dieser Einsatz von KI unser Filmerleben als Zuschauerinnen und Zuschauer beeinflussen wird. Und die entscheidende Frage lautet: Bleibt der Mensch Erzähler? Oder erzählt die Maschine künftig selbst?
Damit weist Schrader weit über die Filmkunst hinaus. Seit Aristoteles galt die schöpferische Tätigkeit als Signatur des Menschlichen. Ob als göttlicher Funke in der Renaissance oder als „Handeln“ bei Hannah Arendt, Kreativität war stets Ausdruck einer menschlichen Perspektive. Doch bedeutet KI zwangsläufig Entwertung dieser Perspektive? Oder eröffnet sie neue Formen gemeinsamer Kreativität? In ihrer Rede schildert Schrader anhand eigener Filme den Zwiespalt zwischen technischer Perfektion und menschlicher Authentizität: Für Ich bin dein Mensch wählte sie Dan Stevens wegen seines britischen Akzents, der zwar mit KI hätte entfernt werden können, aber Authentizität benötige Ecken und Kanten. Auch in She Said setzte sie zwar bewusst auf echtes Licht und reale Schauplätze, räumt jedoch zahlreiche unsichtbare digitale Eingriffe ein und erinnert daran, dass Kino stets künstlich konstruiert war. Und doch liege sein Zauber gerade in diesem Zwischenraum: im Moment, in dem ein konkreter Schauspieler eine Figur zum Leben erweckt. Anthony Hopkins sei zugleich Hannibal Lecter und doch auch Anthony Hopkins. Diese Doppelung, in der das Spürbare, Unvollkommene, “Menschliche” liegt, schaffe die Bindung zum Publikum.
Wie sehr diese Grenze inzwischen verschwimmt, zeigte das Zurich Film Festival, wo mit „Tilly Norwood“ erstmals eine vollständig KI-generierte Schauspielerin vorgestellt wurde, gedacht nicht als Ersatz für Menschen, sondern als ergänzendes Werkzeug.
Vielleicht müssen wir also aufhören, in Gegensätzen zu denken: Mensch gegen Maschine, Hand gegen Stift. Kreativität war immer ein Zusammenspiel. KI verändert dieses Zusammenspiel, aber sie entzieht uns nicht die Fähigkeit zu erzählen. Im Gegenteil: Je mehr maschinell erzeugt werden kann, desto wichtiger wird die Frage, wer spricht und warum. Ob in Film, Kunst oder Vertrieb, Wirkung entsteht nicht durch perfekte Datenpunkte, sondern durch glaubwürdige Stimmen. Menschen kaufen keine Informationen, sie kaufen Geschichten, Handlungen, Haltung. Für uns bei DealEngine bedeutet das: Vertrieb neu denken heißt, Kommunikation so intelligent zu unterstützen, dass sie persönlicher wird. KI darf nicht die Hand ersetzen, sondern sie stärken. Die wahre Grenze verläuft nicht zwischen Mensch und Maschine, sondern zwischen Austauschbarkeit und Authentizität.



